Hauptmenü
Schon zu Lebzeiten galten die Etrusker als geheimnisumwittert. Mit dem Auftauchen dieses Volkes in den Gebieten der heutigen Südtoskana und des nördlichen Latiums vor beinahe drei Jahrtausenden beginnt ein mysteriöses Rätselraten um deren Herkunft und Kultur. Eine bis heute ungelöste Frage der Altertumsforscher, wenn wir die unterschiedlichen und sich widersprechenden Aussagen dazu betrachten. Wir wissen von ihrer klaren Vorherrschaft in Mittelitalien. Darüber hinaus reichte ihr Einflussgebiet vom Po bis nach Salerno. Sie erschufen die erste Hochkultur Italiens. Woher aber dieses Volk kam, ist nicht geklärt. Sie selbst nannten sich Rasenna, die Bezeichnung Etrusker ist uns von den Römern überliefert. Der Zugang zu ihrer Kultur über ihre Sprache ist praktisch nicht möglich: Ihre Schrift ist zwar entschlüsselt und somit lesbar, aber in ihrer Bedeutung nur zu einem kleinen Teil verständlich. Vor allem fehlt ein umfangreicher Korpus: die wenigen Originaltexte, meist kurze Grab-
„Man sagt, in ganz Lydien habe eine große Hungersnot stattgefunden. Einige Zeit setzten die Lyder ihr gewohntes Leben fort. Doch als das Übel nicht nachließ , sondern ständig schlimmer wurde, teilte der König das lydische Volk in zwei Gruppen; und er zog Lose, welche Gruppe bleiben und welche das Land verlassen sollte. Die Lyder,die das Los zum Verlassen des Landes bestimmt hatte, zogen hinab nach Smyrna, bauten Schiffe, beluden diese Schiffe mit all ihrer Habe und setzten Segel, um eine neue Heimat zu suchen, und als sie die Küste vieler Länder umfahren hatten, erreichten sie das Land der Umbrer. Dort blieben sie und gründeten Städte, in denen sie bis zum heutigen Tag leben.“
Auch spätere Geschichtsschreiber wie Cicero, Horaz, Plutarch, Seneca, Strabo und Vergil schlossen sich dieser Version an. Mit dieser Gleichsetzung von lydisch gleich etruskisch haben wir eine erste Herkunftshypothese. Eine zweite vertritt die Auffassung, dass sich die Etrusker aus der italienischen Urbevölkerung heraus entwickelt haben, eine dritte, dass sie von den Achäern, Lukkern, Philistern oder den Sardiniern abstammen (die vom großen Historiker Mommsen nahezu bestrittene Existenz der Etrusker wollen wir an dieser Stelle außer Betracht lassen und in den Bereich der wissenschaftlichen Irrtümer verweisen).
Es steht fest, dass die Etrusker einen umfassenden Handel mit Griechenland betrieben. Unzählige Funde griechischer Vasen in etruskischen Nekropolen geben davon Zeugnis. Sie waren bestens mit der griechischen Kultur vertraut. Auch andere Indizien weisen darauf hin. Auf der griechischen Insel Lemnos wurde u.a. ein etruskischer Grabsteintext aus der zweiten Hälfte des 6. Jhdts. v. Chr. gefunden. Die darauf eingravierten Worte unter Verwendung des griechischen Alphabets, dreiundreißig an der Zahl, liefern interessanterweise auch einen wertvollen Hinweis auf eine mögliche Verwandschaft der etruskischen Sprache zu der vor dem 5. Jhdt. dort schon gesprochenen Sprache, der sogenannten lemnischen Sprache (vorgriechisch) und damit die Vermutung eines gemeinsamen Ursprungs. Die Entwicklung des etruskischen Alphabets ist dagegen eindeutiger und muss als Ableitung aus dem griechischen Alphabet gegen Mitte des 8. Jhdts. v. Chr. verstanden werden, wobei man eine erstes Schriftmodell für Inschriften in der „archaischen“ Phase zwischen dem 7. und 5. Jhdt. v. Chr. von einem zweiten, modifizierten Modell in der „jüngeren“ Phase zwischen dem 4. und 1. Jhdt. unterscheidet. Die dem Griechischen entlehnten, graphischen Zeichen wurden in der Folge von den Etruskern dem eigenen phonetischen System angepasst und teilweise verändert. Die etruskische Sprache kannte z. Bsp. weder den Vokal /o / noch die stimmhaften Okklusive /b/, /d/, /g/ , und eine Tendenz der Lautverschiebung von stimmlosen Okklusiven zu Frikativen, führte z. Bsp. im Falle von /p/ > /φ/ zur Umformung der griechischen Schreibweise und Einführung des graphischen Zeichens <F>. Die Schreibrichtung war linksläufig (sinistrograd), dementsprechend auch die Ausrichtung der einzelnen Buchstaben. Bei den frühen Griechen (800 v. Chr. bis 600.v Chr.) fanden sich sowohl linksläufige, als auch bustrophedone (im Wechsel) Schriftrichtungen. Spätestens im 4. Jahrhundert v. Chr. setzte sich im griechischen Raum die rechtsläufige Schreibweise durch. Das lateinische Alphabet wiederum lehnte sich an das etruskische an und wurde auf viele europäische und weitere Sprachen übertragen. Es ist heute das am weitesten verbreitete Alphabet der Welt.
Quellen:
D.H. Lawrence, Etruskische Stätten, Siena, Nuova Immagine Editrice, 1989 (Vorwort: Massimo Pallottino)
Romolo Augusto Staccioli, Gli Etruschi -